Closed Loop – die Wertstoffagenda der Walter AG
Serie "Nachhaltigkeit ist Chefsache": Im Interview spricht Mirko Merlo, CEO der Walter AG, über das umfassende Recyclingprogramm des Werkzeugherstellers.
Serie: Nachhaltigkeit ist Chefsache
05.03.2014 – Wie setzen Wirtschaftsentscheider zukunftsfähige und ressourceneffiziente Rohstoffstrategien in ihrem Unternehmen um? In einer Kurzinterview-Reihe präsentiert recyclingnews Stimmen aus der Praxis. Diesmal erläutert Mirko Merlo, Geschäftsführer der Walter AG aus Tübingen, wie der Hersteller von Präzisionswerkzeugen durch nachhaltige Beschaffung und umfangreiche Wiederaufbereitung seinen Zugang zu kritischen Rohstoffen absichert. Der Konzern plant, sein systematisches Recyclingprogramm künftig auch auf Auslandsmärkte auszudehnen.
Herr Merlo, wie begegnet die Walter AG als Spezialist für Metallzerspanungswerkzeuge dem Top-Risiko Rohstoffversorgung?
Mirko Merlo: Wir haben konzernintern ein sogenanntes „Raw Material Council“ geschaffen, welches sich mit den Entwicklungen auf dem Rohstoffmarkt und mit der nachhaltigen Beschaffung von Rohmaterialien beschäftigt. Darüber hinaus schließen wir in diesem Bereich schon seit vielen Jahren möglichst langfristige Verträge. Wolfram zum Beispiel ist einer der wichtigsten Rohstoffe für unsere Hartmetallwerkzeuge. Ein großer Prozentsatz der weltweiten Vorkommen befindet sich in China: Entsprechend groß ist auch der chinesische Einfluss auf den Weltmarktpreis. Die genannten Maßnahmen sind Bestandteil unserer proaktiven Auseinandersetzung mit dieser Situation – sowohl was die Sicherstellung der Versorgung, besonders aber was die Rohstoffkosten angeht. Der Preis für Ammoniumparawolframat (APT) hat sich seit 2003 vervielfacht. Mit dem „Raw Material Council“ und unserer Vertragspolitik ist es gelungen, die Preisentwicklung in den letzten Jahren für uns erfolgreich abzufedern. Gleichzeitig kontrollieren wir so die Herkunft unserer Rohstoffe und stellen sicher, dass wir keine Materialien aus Konfliktgebieten im Sinne des Dodd-Frank-Acts verarbeiten (Anm. d. Red.: Der Dodd-Frank-Act sieht vor, dass Unternehmen auf Rohstoffe verzichten, mit denen der bewaffnete Konflikt in der Demokratischen Republik Kongo oder einem angrenzenden Land finanziert wird).
Wie können Sie sicherstellen, dass Ihre Produkte ressourcenschonend produziert und optimal recycelt werden?
Mirko Merlo: Recycling ist ein integraler Bestandteil unseres Geschäftsmodells. In unserer Fertigung, zum Beispiel in unserem modernsten Werk für Wendeschneidplatten in Münsingen, haben geschlossene Kreisläufe etwa beim Schleiföl eine hohe Priorität. Der zweite Schritt im Lebenszyklus unserer dafür geeigneten Produkte wie beispielsweise Vollhartmetall-Bohrer und Fräser ist das Reconditioning. Unsere Kunden lassen ihre Werkzeuge drei- bis fünfmal bei gleichbleibender Qualität in unseren Reconditioning Centern wiederaufbereiten. Sind diese endgültig verschlissen, bieten wir den Rückkauf des Hartmetallwertstoffs – hierbei spielt der Hersteller keine Rolle – zu Kilopreisen an und organisieren den Rücktransport. Das Material wird dann in unseren eigenen Recyclingwerken in seine einzelnen Bestandteile zersetzt, zu reinem Wolframcarbid verarbeitet und wieder für die Produktion neuer Werkzeuge eingesetzt. So entsteht ein vollständig geschlossener Produktkreislauf. Gleichzeitig decken wir einen Teil unseres Rohstoffbedarfs direkt aus recyceltem Material und werden dadurch wiederum unabhängiger von den Weltmarktpreisen.
Ein Blick voraus: Wo steht Walter beim den Themen Recycling und Ressourceneffizienz im Jahr 2020?
Mirko Merlo: Wir wollen unser systematisches Recycling deutlich ausbauen – geografisch und mengenmäßig. In Deutschland sind wir mit unserem oben beschriebenen Recyclingprogramm schon seit mehreren Jahren aktiv. Derzeit kaufen wir von dem Material, das wir an unsere Kunden verkaufen, schon einen gewissen Prozentsatz wieder zurück. Aber hier müssen wir noch deutlich wachsen. In mehreren anderen Märkten in Europa befindet sich das Recyclingprogramm derzeit im Aufbau. Weitere werden sukzessive folgen, wobei hier nicht die Geschwindigkeit, sondern die Einhaltung der immer strenger werdenden rechtlichen Bestimmungen sowie eine effiziente und ressourcenschonende Logistik im Vordergrund stehen.
Bis 2020 möchten wir diesen Service für alle Walter-Kunden weltweit anbieten: einen geschlossenen Produktkreislauf von der Lieferung von High-Tech-Werkzeugen über die kosten- und ressourcensparende Wiederaufbereitung bis hin zur fachgerechten Entsorgung. Parallel wollen wir bis dahin in allen Ländern einen deutlich höheren Prozentsatz der von uns verkauften Werkzeuge wieder zurücknehmen. Aus den so gewonnenen recycelten Materialien werden wir einen erheblichen Anteil am Rohstoffbedarf unserer Produktionsstätten decken.
Die Recyclingverfahren werden sich künftig noch deutlich verbessern. Gleichzeitig werden aber auch die Preise für Rohstoffe weiter steigen. Dadurch wird wiedergewonnenes Hartmetall zu einer echten Alternative werden – eine Alternative, die wir bereits heute in den Blick nehmen.
Herr Merlo, vielen Dank für das Gespräch. (Stephan Fabrizius)
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(Foto: Porträt Mirko Merlo, Vorstandsvorsitzender der Walter AG in Tübingen)
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