Versprechen gebrochen: Kommunen wollen Müllgebühren erhöhen
Drei Viertel der Kommunen planen für 2014 Gebührenerhöhungen. Auch Müllgebühren sind betroffen. Damit wird ein Versprechen des Lobbyverbandes VKU konterkariert.
BILD-Zeitung berichtet über Ergebnisse einer Ernst & Young-Studie
07.11.2013 – 75 Prozent der Kommunen in Deutschland wollen im kommenden Jahr die Gebühren erhöhen. Das berichtete heute die Onlineausgabe der BILD-Zeitung. Das Blatt bezog sich auf eine aktuelle Studie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young. Damit konterkarieren die Kommunen das Versprechen ihres Lobbyverbandes VKU, die Gebühren durch den neuen Zugriff auf werthaltige Abfälle stabil zu halten.
Nach BILD-Angaben müssen die Bürger vielerorts u. a. mit zum Teil erheblich steigenden Müllgebühren rechnen. So sollen die Gebühren für die Müllabfuhr in Bremen um 20 Prozent, in Neumünster um 18 Prozent und in Freiburg um sieben Prozent angehoben werden. Die Kommunen begründeten die geplanten Gebührenerhöhungen mit der angespannten Finanzlage ihrer Haushalte.
Das Drehen an der Gebührenschraube steht im Widerspruch zur Argumentation und den öffentlichen Bekundungen des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). Die kommunale Lobbyorganisation hatte in dem über Jahre dauernden Prozess der Verabschiedung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) immer wieder von der Politik gefordert, den Kommunen künftig neben dem Restmüll im Rahmen der Daseinsvorsorge auch den Erstzugriff auf die haushaltsnah und getrennt erfassten werthaltigen Abfälle zu übertragen. Der VKU begründete diese Forderung damit, dass nur so die Müllgebühren künftig stabil gehalten werden könnten. Bundestag und Bundesrat setzten diese Forderungen der kommunalen Seite im 2012 verabschiedeten KrWG nahezu vollständig um.
Parallel dazu bemüht sich der VKU darum, auch das seit mehr als 20 Jahren von den privaten dualen Systembetreibern realisierte Modell des Verpackungsrecyclings unter kommunale Zuständigkeit stellen zu lassen. In einem vor wenigen Monaten veröffentlichten „Schwarzbuch Verpackungsentsorgung“ hatte der VKU die Systembetreiber als ineffizient und zu teuer kritisiert. Dem widersprachen kurz darauf zahlreiche unabhängige Experten. Dr. Thomas Rummler, für Abfallwirtschaft zuständiger Ministerialdirigent im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), betonte in einem Interview mit recyclingnews, das in Deutschland praktizierte Modell der Verpackungsentsorgung habe zu steigenden Sammelmengen, der Entwicklung von Sortier- und Recyclingtechnologie und zur Entkopplung des Verpackungsverbrauchs von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung geführt. Durch den Wettbewerb in diesem Bereich seien die Systemkosten halbiert worden, ohne die ökologischen Standards zu senken.
Ähnlich positionierte sich Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt. Gegenüber der FAZ erklärte er, der private Wettbewerb im Entsorgungsbereich habe „segensreich gewirkt“. Der Wettbewerb auf dem Gebiet der Verpackungsentsorgung habe zu einer Halbierung der Kosten und zu einem Innovationsschub geführt. All das stünde auf dem Spiel, wenn die Kommunen „die Oberhoheit über die gelbe Tonne“ forderten. Der ausgeprägte Trend zur Rekommunalisierung könne, warnte Mundt, steigende Preise und Gebühren zur Folge haben. (SJ)
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(Foto: Sergey Nivens/fotolia.com)
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