Vereinfachte Vergabe von Dienstleistungen nach aktuellem Rundschreiben des BMWi
Von Köhler & Klett Rechtsanwälte
Durch das „Rundschreiben zur Anwendung des Vergaberechts im Zusammenhang mit der Beschaffung von Leistungen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 19. März 2020 wurden – im Rahmen der einschlägigen vergaberechtlichen Vorschriften – vereinfachte Anwendungsbedingungen für das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb geschaffen.
Diese sind wie folgt zusammenzufassen:
Vereinfachte Anwendung des Verhandlungsverfahrens
In Anwendung von § 119 Abs. 5 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) i.V.m. § 14 Abs. 4 Nr. 3 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) bzw. § 13 Abs. 2 Nr. 4 der Sektorenverordnung (SektV) sowie § 8 Abs. 4 Nr. 9 der Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte (UVgO) werden die Voraussetzungen für die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb als gegeben angesehen, sofern es um die Beschaffung von Leistungen geht, die der Eindämmung und kurzfristigen Bewältigung der Corona-Epidemie und/oder der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes der öffentlichen Verwaltung dienen. Lediglich beispielhaft wird die Beschaffung von Heil- und Hilfsmitteln wie etwa Desinfektionsmitteln und Einmalhandschuhen aufgeführt, womit offenkundig auch die Vergabe von Wareneinkäufen erfasst sein soll und nicht nur die Beauftragung von Leistungen (Dienstleistungen). Da diese Liste nicht abschließend ist, wäre aus Sicht der Entsorgungswirtschaft etwa an eine Eilbeschaffung von Sammel- und Entsorgungsleistungen im medizinischen Bereich – wie für Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht besondere Anforderungen gestellt werden – zu denken.
Vereinfachte Bedingungen an die Durchführung des Verhandlungsverfahrens
Wegen des Transparenzgebots und des Wettbewerbsgrundsatzes müssen auch im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb mehrere, anhand einer nachvollziehbaren Auswahl ermittelte Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. In Anlehnung an § 51 Abs. 2 VgV hat sich die Aufforderung von mindestens drei Unternehmen zur Erhaltung des Wettbewerbs etabliert. Zwar weist das Ministerium darauf hin, dass es sich im Sinne einer effizienten Verwendung von Haushaltsmitteln empfiehlt, nach Möglichkeit mehrere Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern. Sollten es die Umstände – wie in der jetzigen Situation – aber erfordern, könne auch nur ein Unternehmen angesprochen werden. Dieses gelte unter Rückgriff auf § 12 Abs. 3 UVgO insbesondere auch im Unterschwellenbereich.
Zudem könnten die Bundes- und Landesministerien die Nichtbeachtung von Zulassungsvoraussetzungen der Verhandlungsvergabe bis zum Schwellenwert oder die Aussetzung ganzer Regelungen der UVgO regeln.
Kürzere Angebotsfristen
Aufgrund des besonderen Ausnahmecharakters der aktuellen Situation können unter Beachtung der jeweiligen Gesamtumstände formlose Angebote innerhalb verkürzter Fristen, teilweise sogar ohne Einhaltung einer Frist abgerufen werden.
Zulässige Auftragsänderung
Eine flexible Bedarfsdeckung, etwa durch Vertragsverlängerung und/oder -ausweitung, lässt sich nach Auffassung des Ministeriums zudem durch Änderung bestehender Verträge gemäß § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GWB rechtfertigen, die wegen nicht vorhersehbarer Umstände erforderlich geworden ist. Über § 47 Abs. 1 UVgO gilt diese Vorschrift auch für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte. Auch insoweit sollten sich Entsorgungsunternehmen, die entsprechende Aufträge über die Entsorgung von Abfällen aus dem medizinischen Bereich halten, auf Nachfragen zu etwaigen Vertragserweiterungen oder -verlängerungen einstellen.
Das Rundschreiben tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft.
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